Montag, 11. Januar 2010

Tag 4: Die Überquerung des Naret, oder: aus Vier mach Drei


Lodano (370m über NN) im Valle Maggia am Sonntag morgen. Wir erheben uns gezwungener Maßen aus der nächtlichen Bequemlichkeit unseres Heu Hotels. Während wir uns das Frühstück schmecken lassen, steigt die Sonne langsam über die angrenzenden Berge und kündigt damit einen Sommertag allererster Güte an. Hochmotiviert steigen wir im Anschluss auf unsere Räder und nehmen den ersten Minitrail direkt hinter unserer Unterkunft unter die Räder. Wobei es unter die Füße wohl besser trifft. Grob verblockt offenbart sich der Pfad, welchen wir bis zur ersten möglichen Querung der Maggia folgen mussten. Diese bot jedoch das erste kleine Highlight des Tages, wurde da doch eine Hängebrücke gespannt, die es zu überqueren galt.
Im Anschluss folgten wir der ständig leicht ansteigenden Straße nach Peccia, wo unser Weg ins Val Sambuco Richtung Fusio abzweigen sollte. Schnell zeigte sich jedoch, dass nicht alle die Strapazen der Vortage so gut wie erhofft wegstecken konnten. Ein aufs andere mal musste Christoph bereits im noch harmlosen Abschnitt abreißen lassen. Zu diesem Zeitpunkt befürchtete ich bereits, was sich dann im ersten steigungstechnisch anspruchsvollerem Teil bestätigte. Nachdem Peccia passiert, und auf dem Weg hinauf zum Lago del Sambuco Serpentine auf Serpentine folgte, ging es mit Christophs Motivation eher bergab. Als dann schließlich jede Pedalumdrehung zu Qual werden schien und auch meine Motivationskünste keine Wirkung mehr zeigten, entschloss er sich bei einer Höhe von ungefähr 1250 Höhenmetern Richtung Locarno zurückzukehren und nach etwas Erholung seine für den Anschluss der Trans Alp geplante Single Tour Richtung Österreich anzutreten. Während es im Vorjahr also Borsti erwischt hatte, traf es dieses Jahr nun Christoph und es stand fest, dass die drei Musketiere ihren Weg allein fortsetzen mussten.
Etwas konsterniert vom erneuten Auseinanderbrechen, jedoch nicht weniger motiviert, setzten wir unseren Weg bergwärts also fort. Schließlich standen noch einige Heldentaten auf dem Tagesplan, welche erst einmal verbracht werden wollten. Da zu diesem Zweck natürlich ein frisch gestärkter Held, einem mit leeren Magen vorzuziehen ist, statteten wir uns mit erreichen der Staustufe des Lago del Sambuco (bereits auf 1461m) mit einem (in Andis Worten) Snack aus, welcher im Verlauf der Etappe noch wertvolle Dienste erfüllen sollte. Denn immer wenn man denkt es geht nicht schlimmer, wird man im Normalfall ja eines besseren belehrt. Und so auch in diesem Fall. Nach einer kurzen Verschnaufpause am Lago, ging es wieder straight bergauf. Der Höhenmesser wollte schon gar nicht mehr unter die magische Grenze von 20% sinken, bis wir schließlich die Laghetti erreichten, zwei durch Schmelzwasser geformte Seen auf knapp über 2100 Metern Höhe. Unser nächstes Ziel hieß jedoch erst einmal Lago del Naret, und so konnte uns auch die hohe Beliebtheit der Seen bei einer Reihe von Tauchern nicht zu einem Bad im eiskalten Wasser verleiden. Weiter ging es in die Höhe bis wir sie endlich erreicht hatten, die Staumauer des Lago del Naret auf 2311m. Was uns im ersten Augenblick bereits wie ein kleiner Sieg vorkam, verdeutlichte uns im zweiten jedoch nur, worauf wir unsere Kräfte als nächstes konzentrieren müssten: den Passo del Naret. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde uns auch klar, dass die eigentlich geplante Passage des Passo della Novena noch am gleichen Tag nicht mehr möglich sein würde.
Nachdem wir den Stausee halb umrundet hatten, begann der Aufstieg zum Passo. Das Gelände wurde wieder deutlich unwegsamer und die letzten 100 Höhenmeter half mal wieder nur absteigen und das Bike schultern. Doch dabei war Vorsicht geboten, wollte man nicht auf dem Speiseplan des gemeinen Alpenmurmeltiers landen, welches mit typischem Brunftgepfeife versuchte, uns davon abzuhalten, die Passhöhe zu erklimmen ;)
Oben angekommen und einen Blick ins angrenzende Val Torta gewurfen mussten wir feststellen, dass es so weitergehen würde, wie der Aufstieg zum Passo vom Lago del Naret begonnen hatte: Mit vielen großen Steinen und einem Pfad, welcher wohl alleine das Aufsteigen aufs Bike zum Wagnis hätte werden lassen. Damit begrenzte sich der Downhill zur Alpe di Cristallina (1800m) auf wenn überhaupt 50% biken.
Zum Höhepunkte wurde dabei die Überquerung eines Schmelzwasserbaches. Da einfaches durchfahren aufgrund des Untergrundes ausschied, mussten wir das Wasser durchwaten. Als Andi seine Schuhe und Socken per geschicktem Wurf im Vorfeld auf die andere Seite befördern wollte, löste sich eine der Socken aus der Umarmung der Schuhe und verschwand mit den reißenden Fluten des Baches Richtung Tal. Ich dagegen rutschte von den extrem glitschigen Holzbohlen, welche zur Überquerung bereit gelegt waren und stand erst einmal bis knapp zu den Knien im eiskalten Wasser. Brrrrr.
Als wir irgendwann dennoch die Alp erreichten, war die Sonne bereits dabei hinter den Bergen zu verschwinden. Wir legten daher die letzten 500 Höhenmeter ins Tal quasi im Tiefflug zurück, wo die Quartiersuche trotz dessen mal wieder in völliger Dunkelheit stattfinden musste.
Schließlich fanden wir nach mehreren erfolglosen Versuchen in Ossasco und weiteren 300 Höhenmetern später erst in All'Acqua, dem letzten Ort vorm Aufstieg zum Passo della Novena, welcher uns nun also erst am folgenden Tag beschäftigen würde, noch ein paar freie Betten.
Overall setzte sich der Tag damit aus 6 Stunden und 55 Minuten Fahr bzw. Schiebezeit, 64.63 Kilometern und 2414 bezwungenen Höhenmetern bei einem Mittel von 9.3km/h zusammen. Jedoch am Ende eben ohne Passo della Novena und Christoph.

1 Kommentar:

Christoph hat gesagt…

Wenn ich das so lese, bin ich gleich nochmal froh, dass ich umgedreht bin. Nach vier Stunden Mittagsschlaf im Maggiatal und einer am Abend zu mir genommenen Portion Nudeln ging es mir dann wieder besser.